FinnTouch präsentiert: Wie 4 deutsche Auswanderer die Weihnachtszeit in Finnland erleben

11. November 2022 von Team

Weihnachten hat in Finnland – genauso wie in Deutschland – einen sehr hohen Stellenwert. Es ist das wichtigste Fest des Jahres, auf das Klein und Groß schon Wochen vorher hinfiebern. Und doch gibt es natürlich auch Unterschiede im Hinblick auf Traditionen, kulinarische Vorlieben und Besonderheiten.

Ich habe mit vier deutschen Auswanderern gesprochen, die mir verraten haben, wie sie die Weihnachtszeit in Finnland erleben, was sie möglicherweise im hohen Norden vermissen und welche Dinge sie liebgewonnen haben.

JASMIN aus Pieksämäki: „Neu war es für mich, an Weihnachten in die Sauna zu gehen“

Jasmin Räsänen stammt aus der Nähe von Bremen, lebt jedoch schon seit November 2013 mit ihrem finnischen Ehemann in Pieksämäki nördlich von Mikkeli. Vor vier Jahren hat sie sich selbstständig gemacht und entwirft, schreibt und verkauft Häkelanleitungen. Die 37-jährige empfindet die Vorweihnachtszeit in Finnland als nicht so intensiv wie in Deutschland.

„Zwar werden Kekse gebacken und ein paar Weihnachtsfilme geschaut, Geschenke besorgt und ich freue mich über den ersten Schnee, aber irgendwas fehlt. Für mich ist es wahrscheinlich die Familie um mich herum zu haben. Zusammen über die Weihnachtsmärkte spazieren, die Kekse zusammen zu backen, dabei Rolf Zuckowksis Weihnachtsbäckerei zu hören.“ So kommt bei Jasmin zu Weihnachten doch hin und wieder etwas Heimweh auf.

Dieses Jahr wird die Familie die Weihnachtszeit in Finnland verbringen – Heiligabend zusammen mit einem Teil der Familie ihres Mannes und die Weihnachtsfeiertage wahrscheinlich zu zweit. Welche Unterschiede gibt es zu Deutschland im Hinblick auf Bräuche? „Neu für mich war es, Weihnachten zum Friedhof zu fahren um Kerzen anzuzünden und am Abend in die Sauna zu gehen. Ansonsten ist es für mich wie in Deutschland auch. Man ist mit der Familie zusammen, schaut etwas Fernsehen, isst zusammen, tauscht Geschenke aus, geht etwas spazieren und verbringt einfach ein paar ruhige Stunden oder Tage“, berichtet Jasmin.

Ein paar finnische Spezialitäten, die zum Fest serviert werden, hat sie richtig ins Herz geschlossen. „Ich freue mich schon sehr auf den Joulukinkku [Weihnachtsschinken] und ein paar Riisipiirakka mit Lachs. Ein Muss ist für mich etwas Lanttulaatikko. Dieses Jahr werde ich aber auch noch Kartoffelsalat machen, der hat mir die letzten Jahre an Weihnachten gefehlt“, pflegt die gebürtige Niedersächsin auch fern der Heimat ein Stückchen deutsches Brauchtum.

MARIA aus Utsjoki: „Tanzende Polarlichter sind die schönste Weihnachtsbeleuchtung“

Maria Berz ist in der nördlichsten Gemeinde Finnlands heimisch geworden. In Utsjoki arbeitet sie unter anderem als Wilderness-Guide. Auf der Facebook-Seite ihres Unternehmens Into the Into the Nordic Wilderness kannst du ihre wunderschönen Fotos aus dem hohen Norden bewundern.

„Dieses Jahr verbringe ich bereits mein drittes Weihnachtsfest hier in Lappland“, erzählt Maria. „Eigentlich war es anders geplant, aber wie bei so vielen von uns hat Corona auch meinen Reiseplänen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Obwohl ich enttäuscht bin, nicht bei meiner Familie sein zu können, bin ich doch auch unendlich dankbar, denn ich bin gesund und darf diese schwierige Zeit von wunderbarer Natur umgeben verbringen.“

In Utsjoki wird Weihnachten recht einfach gehalten, hat Maria beobachtet. „Die Beleuchtung an den Häusern hält sich in Grenzen. Auch Weihnachtsbäume kann man hier nicht kaufen. Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit begebe ich mich in den ‚Wald‘ und suche nach gefällten oder umgestürzten Kiefern. Das ist hier gar nicht so leicht, denn Utsjoki liegt oberhalb der Kieferngrenze und es gibt nur noch vereinzelt Nadelbäume. Glücklicherweise bin ich bis jetzt doch immer fündig geworden“, lacht die ursprünglich aus der Nähe von Frankfurt/Oder stammende Auswanderin. Die Kiefernzweige dekoriert sie mit Schmuck, den sie über die Jahre gesammelt hat und verbindet so die Traditionen und Erinnerungen aus Deutschland, ihrer vormaligen Wahlheimat England und nun auch Finnland miteinander.

Ein Highlight der Weihnachtszeit in Finnland ist für Maria eine typisch finnische Spezialität. „In der Adventszeit backe ich häufig die leckeren ‚Joulutorttu‘ – das finnische Blätterteiggebäck. Die fertigen Joulutorttu genieße ich mit Weihnachtsmusik aus aller Welt und einer kräftigen Tasse Kaffee.“

Im Dezember herrscht im Norden Lapplands die Polarnacht, die Sonne geht erst Mitte Januar wieder auf. Am 21. Dezember ist die Wintersonnenwende und auch hier oben der kürzeste Tag. „Nur für ein paar Stunden haben wir dann Dämmerungslicht am Tage. So fällt Weihnachten hier in die dunkelste Zeit. Aber bei langen Nächten kommt auch Gemütlichkeit auf und dunkle Stunden sind zudem die Voraussetzung für Nordlichter. Zum Weihnachtsspaziergang hier mag ich nichts lieber als unter mir den Schnee knirschen zu hören und oben am Himmel die Polarlichter tanzen zu sehen. Denn die sind doch wirklich die schönste Weihnachtsbeleuchtung“, schwärmt Maria.

SARAH aus Seinäjoki: „Die Finnen verfallen nicht so sehr in Weihnachtsstress“

Sarah Senf verschlug es im Jahr 2008 nach Seinäjoki im Westen des Landes. Die Fotografin lebt dort zusammen mit ihrem finnischen Partner. „Ich bin ein absoluter Weihnachtsmensch. In der Vorweihnachtszeit backe ich viel. Hauptsächlich die deutschen Plätzchen-Klassiker. Die Wohnung wird dekoriert und Weihnachtsmusik, egal ob finnisch, deutsch oder international, wird gehört und gespielt“, erzählt die 32-jährige. Da die Weihnachtszeit in Finnland sehr dunkel ist, freut sich die Auswanderin über die schönen Weihnachtslichter in den Fenstern der Häuser. „Ein Unterschied, der mir aufgefallen ist: die Weihnachtsbeleuchtung mancher Leute in Deutschland ist teilweise sehr übertrieben, bunt und blinkend. In Finnland ist sie eher dezent und klassisch“, hat Sarah beobachtet.

Die Deutsche mag die Adventszeit in Finnland sehr gerne, vor allem wenn Schnee liegt. Langweilig wird es in der Kleinstadt nicht. „In Seinäjoki wird normalerweise viel kulturelles Weihnachtsprogramm geboten. In den Jahren vor Corona versuchte ich immer wenigstens ein Weihnachtskonzert zu besuchen. Finnische pikkujoulu-Feiern gibt es natürlich auch, die immer ganz lustig sind,“ berichtet Sarah. Die Weihnachtsfeiertage wird sie trotzdem in Deutschland verbringen. „Ich war, seit ich in Finnland lebe, tatsächlich noch nie zu Weihnachten hier.“

Im Vergleich zur mitteleuropäischen Heimat empfindet Sarah die Stimmung in der Weihnachtszeit in Finnland als weniger hektisch. „Ich glaube, die Finnen verfallen nicht so sehr in Weihnachtsstress. Es geht alles etwas entspannter zu und es wird auch nicht so übertrieben viel verschenkt.“ Große Unterschiede hat sie in Bezug auf das Weihnachtsessen ausgemacht. „Ich finde Weihnachtsschinken und die verschiedenen Aufläufe ganz ok. Schade finde ich, dass viele Finnen die fertigen Sachen in der Aluschale aus dem Laden kaufen.“

Persönlich freut sich Sarah auf Gans, Rotkohl und Klöße. Bei Joulutorttu und Piparkakku kann sie jedoch auch nicht widerstehen. „Die liebe ich! Sonst ist das finnische dem deutschen Weihnachtsfest ziemlich ähnlich. Die Menschen sind mit der Familie zusammen und manche besuchen zu Heiligabend die Kirche. Den Weihnachtsmann kennt man ja in beiden Ländern.“

JOSI aus Ivalo: „Die Nussknacker aus dem Erzgebirge halten auf dem Kaminsims Wache“

Zusammen mit ihrem Partner Markus aus der Schweiz hat sich Josi Habermann ihren großen Traum erfüllt: eine eigene Huskyfarm im finnischen Ivalo. „Weihnachten 300 Kilometer über dem Polarkreis ist an sich schon eine märchenhafte Erscheinung. Die Vollendung dieses Zaubers liegt in der närrischen Versessenheit der Finnen, für ihr geliebtes Weihnachtsfest. Wie sehr, lässt sich auch am finnischen Monatsnamen für den Dezember ablesen. Wörtlich übersetzt heißt er ‚Weihnachtsmonat‘. Hier in Lappland beginnt die Zeit der Dunkelheit, der Kerzen, der Ruhe und des Schneeknirschens Anfang November. Was ich früher in Deutschland als verpönt angesehen habe, ist hier auf einmal völlig legitim: Bereits Mitte November summe ich Weihnachtslieder, staune stumm über den fallenden Schnee, während ich den Schmuck für unseren Weihnachtsbaum aus der Abseite unseres Holzhauses hervorkrame“, freut sich Josi.

Einen ganz großen Unterschied zwischen der Weihnachtszeit in Finnland und Deutschland hat die Auswanderin ausgemacht: „Die ständige und bedingungslose Natur verstärkt das Gefühl der Heimeligkeit mehr, als es künstliche Dekoration tun könnte. Schneebedeckte Tannen flüstern, während die Nordlichter Weihnachtsglanz in den Himmel streuen. Alles wirkt auf natürliche Weise festlich und elegant“, ist die Deutsche geradezu verzaubert von ihrem neuen Zuhause in Lappland. Kein Wunder, dass es bei Josi und Markus denn auch viel weniger „zusätzliche“ blinkende Lichterketten gibt, als es vorher in Deutschland der Fall war. „Nur die Nussknacker aus dem Erzgebirge halten stumm auf dem Kaminsims Wache, bis sie Mitte Januar sorgsam in ihre Kisten verpackt werden und ihren Sommerschlaf antreten“, lacht Josi.

Für die beiden Naturfreunde und Tierliebhaber ist das Weihnachtsgefühl erst so richtig vorbei, wenn Ende Februar die Sonne wieder klar und fest am Himmel steht und die gemütlichen Kerzen im Haus gegen Ski und Eisangel unter der hellen Sonne getauscht werden. „Doch dieser Tag ist noch fern. Jetzt gerade, Ende Dezember, genießen wir die malvefarbenen Landschaften der Kaamos-Zeit – die ich gegen keine funkelnden Weihnachtsmarktlichter der Welt eintauschen würde.

Und wenn die Erinnerung an duftende Mutzen, Christstollen oder die Lieben in Deutschland zu sehr schmerzt, hilft immernoch der wunderbare finnische Blaubeer-Glögi, hat die Betreiberin der an einem kleinen See gelegenen, nachhaltigen Huskyfarm ein Rezept gegen „Deutschlandweh“ parat. Finnische Köstlichkeiten wie Roggenbrot, frisch gefangener, geräucherter Fisch mit selbst gesammelten Wacholderzweigen und natürlich der Weihnachtskaffee mit Zimt und Kardamom versüßen Josi außerdem die Weihnachtszeit in Finnland.

Text: René Schwarz

Über den Autor:

René Schwarz ist halber Finne und zweisprachig aufgewachsen. Der selbstständige Texter und Autor ist regelmäßig in seinem zweiten Heimatland unterwegs und liebt es, seine Leidenschaft für Suomi mit anderen zu teilen. Dies tut er seit Anfang 2016 auch auf seinem Blog FinnTouch, wo dich unter anderem zahlreiche Finnland-Reisetipps, Interviews mit finnischen Künstlern und auch ganz persönliche Geschichten erwarten. Schau doch mal vorbei auf www.finntouch.de!

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